Welche Diagnostik ist sinnvoll bei neuromuskulären Skoliosen

Klinische Untersuchung

Die neuromuskuläre Grunderkrankung sollte bekannt sein.

Die Therapie einer neuromuskulären Skoliose sollte sehr sehr individuell gestaltet sein unter Berücksichtigung zahlreicher individueller Faktoren.

Dabei ist wichtig, welchen Gesamteindruck der Patient macht und unter welchen Umstanden er lebt. Das Ausmaß der Teilhabe am Leben sollte berücksichtigt werden.

Es ist wichtig, zu wissen, wie mobil der Patient ist. Kann er frei stehen oder sogar gehen? Ist er frei sitzfähig? Kann er Transfers selbständig tätigen?

Werden Hilfsmittel genutzt?

Ist eine Kopfkontrolle des Patienten vorhanden?

Wie ist der Ernährungszustand des Patienten? Ist er z.B. mit einer PEG versorgt?

Welche Formen der Muskelschwächen liegen vor (schlaffe Schwächen? Spastiken?)?

Hat der Patient Schmerzen?

Wie ist der Zustand der Hüftgelenke? Liegen Spastiken vor, die ggf. Einfluß auf die Wirbelsäule und ggf. auch auf eine Wirbelsäulen-OP haben könnten?

Wie ist der kinderärztliche Zustand des Patienten, d.h. wie ist die Organfunktion von Lungen, Herz, Nieren, etc.? Die Kinder werden vor einer OP routinemäßig ausführlich in der Kinderklinik abgeklärt, um zu analysieren, welche Dinge vor einer möglichen OP noch zu optimieren sind. Häufig leiden Patienten an gehäuften Infekten der Atemwege.

Auch eine Vorstellung in der Anästhesie ist wichtig, um eine Grundlage für eine Beratung des OP-Risikos zu haben.

Bei Kindern, die im Vorfeld neurochirurgisch behandelt wurden, ist der aktuelle neurochirurgische Status wichtig (z.B. Shunt-Versorgung? oder Z.n. operativer Lösung eines Tethered Cord?)

Bedingt durch die Deformität kommt es häufig zu einem Verlust der Sitzfähigkeit. Der Beckenschiefstand führt dazu, daß Druckstellen unter den Sitzbeinen am Becken entstehen.

Die Untersuchung der Lungenfunktion ist bei Patienten mit neuromuskulärer Skoliose sehr wichtig.

Röntgen

Röntgenbilder in 2 Ebenen sind die Basis der radiologischen Bildgebung bei Skoliose-Patienten.

Da das Ausmaß einer Skoliose abhängig davon ist, ob die Last des Rumpfes auf der Wirbelsäule lastet oder nicht, macht es einen großen Unterschied, ob ein Patient im Stand oder im Sitzen oder im Liegen untersucht wird. Eine Untersuchung im Liegen verschleiert häufig das echte Ausmaß einer Skoliose. Wenn möglich sollte immer im Stand untersucht werden. Wenn ein selbständiges Stehen nicht möglich ist, sollten die Aufnahmen im Sitzen erfolgen. Wenn kein Sitzen möglich ist, dann sind Liegend-Aufnahmen sinnvoll.

Das Ausmaß einer Skoliose wird nach dem Vermessungsprinzip des Cobb-Winkels bestimmt.

Bei einer Skoliose-Vermessung ist zu berücksichtigen, daß im Normalzustand die Wirbelsäule von vorne betrachtet (Frontalebene) gerade verläuft, d.h. es liegt keine Krümmung vor. Bei minimalen Krümmungen in der Frontalebene von kleiner als 10° spricht man von einer skoliotischen Fehlhaltung und noch nicht von einer Skoliose. Ab 10° ist die Diagnose einer Skoliose gerechtfertigt. Wenn möglich werden alle vorhandenen Krümmungen der Wirbelsäule in der Frontalebene vermessen und bewertet. Skoliosen weisen in der Regel nicht nur Veränderungen in der Frontalebene auf sondern auch eine krankhafte Rotation der Wirbel und ein verändertes seitliches Profil.

Wenn eine Korsett-Therapie durchgeführt wird, können auch Röntgenbilder im Korsett sinnvoll sein, um die Korrekturfähigkeit der Skoliose durch das Korsett zu bewerten.

Vor Skoliose-Operationen werden besondere Funktionsaufnahmen gemacht, um die Beweglichkeit (Flexibilität) der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte zu bewerten. Diese Aufnahmen nennt man Bending-Aufnahmen. Bei neuromuskulären Skoliosen sind häufig sog. Traktionsaufnahmen (Aufnahmen unter Längs-Zug an der Wirbelsäule) sinnvoll, um die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu bewerten. Diese Informationen helfen, zu entscheiden, welche OP-Technik möglich ist und wie lang eine operative Instrumentationsstrecke sein sollte.

Da Röntgenbilder mit einer Strahlenbelastung einhergehen, wird natürlich darauf geachtet, nur Bilder anzufertigen, die dringend notwendig sind und eine praktische Relevanz haben.

Röntgenbild einer schweren neuromuskulären Skoliose, links im Sitzen, rechts unter Zug, d.h. unter Traktion
Röntgenbild einer schweren neuromuskulären Skoliose, links im Sitzen, rechts unter Zug, d.h. unter Traktion

MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie, Kernspintomographie)

Ein MRT gehört nicht zur Routine-Diagnostik einer neuromuskulären Skoliose. Mit dem MRT kann man optimal weichere Strukturen (Rückenmark, Nerven, Bandscheiben, Knochenmark, Muskeln, etc.) analysieren. Bei Verdacht auf Besonderheiten im Wirbelkanal kann ein MRT sinnvoll sein.

CT (Computertomographie)

Ein CT gehört nicht zur Routine-Diagnostik einer neuromuskulären Skoliose von Kindern und Jugendlichen. Mit einem CT kann man am besten knöcherne Strukturen analysieren, z.B. ob eine knöcherne Brückenbildung zwischen benachbarten Wirbeln vorliegt. Dies kann ggf. eine OP erheblich erschweren und sollte vor einer OP bekannt sein. Gerade bei älteren erwachsenen Patienten kann ein CT deshalb vor einer OP sinnvoll sein.