Welche Behandlungsoptionen gibt es bei einer neuromuskulären Skoliose

Es ist besonders wichtig, daß alle Beteiligten (Patient, Familie, Betreuer, Ärzte, Physiotherapeuten, Orthopädie-Techniker, Kinderärzte, etc.) realistische Erwartungen an eine Therapie der Skoliose haben. Diese zu kommunizieren und zu entwickeln, ist Ziel der Ambulanzgespräche im Vorfeld. Dafür nehmen wir uns besonders viel Zeit in unserem Zentrum.

Wichtig ist grundsätzlich, daß Patienten mit neuromuskulären Skoliosen regelmäßig orthopädisch, d.h. ca. halbjährlich bzgl. der Skoliose kontrolliert werden. So soll vermieden werden, daß bei Erstvorstellung bereits sehr schlechte Krümmungswinkel vorliegen, die das Risiko für die Patienten unnötig in die Höhe treiben. Ein sehr wichtiger Punkt liegt darin, daß Patienten mit einer klaren OP-Indikation nach Optimierung aller Einflußfaktoren zeitnah einer OP zugeführt werden. Häufig werden OP‘s bei Patienten mit neuromuskulären Skoliosen gut gemeint von Seiten der Familien und Betreuer sehr lange hinausgezögert und die Patienten stellen sich dann mit leider massiv fortgeschrittenen Deformitäten erstmalig in einem Skoliose-Zentrum vor. Man sollte sich klar machen, daß auch eine 130° Skoliose operativ angehbar ist, daß bei einem derartig ausgeprägten Ausmaß das Risiko für den Patienten allerdings deutlich erhöht ist, daß nämlich der gleiche Patient, wenn er mit einer 60° vorstellig geworden wäre, ein sehr sehr viel kleineres OP-Risiko zu tragen gehabt hätte. Somit gilt: Lieber früh vorstellig werden und dann regelmäßig kontrollieren und wenn notwendig früh operieren.

Krümmungen unter 40 bzw. 50° bei Patienten im Wachstum werden häufig zunächst mit Korsett behandelt. Die Korsett-Tragedauer beträgt wenn möglich 23 Stunden täglich. Auch eine optimale Rollstuhl-Anpassung bei Rollstuhl-Patienten ist wichtig. Bei ausgewachsenen Patienten kann eine Fortführung der Korsett-Therapie sinnvoll sein, dann eher mit dem Ziel, die Wirbelsäule zu halten und zu schienen, weniger als Korrekturkorsett.

Alle Patienten mit neuromuskulären Deformitäten erhalten i.d.R. begleitend Physiotherapie. Eine relevante Besserung der Krümmung durch Physiotherapie allein ist allerdings nicht realistisch.

Wenn die Krümmung diese Grenzwerte überschreitet oder mit Sicherheit zu erwarten ist bei noch etwas geringerer Krümmung, daß diese aber zu 100% die OP-Grenzwerte überschreiten wird, so ist eine Korrektur-OP indiziert.

OP-Ziele sind: Verbesserung der Lebensqualität, Verbesserung der Organfunktion, Reduktion von Atemwegsinfektionen, Schmerzreduktion, Rebalancierung der Wirbelsäule und des Beckens, Verbesserung der Mobilität und funktionellen Situation (z.B. Sitzfähigkeit), Verbesserung der Pflege.

Zuerst muß entschieden werden, ob noch ein zu erwartendes relevantes Rest-Wachstum der Wirbelsäule erfolgen wird oder nicht.

Bei Skoliosen mit noch relevantem Rest-Wachstum und OP-Indikation, sind wachstumsbegleitende Techniken sinnvoll.

Bei Skoliosen mit nicht mehr zu erwartendem Rest-Wachstum ist ein langstreckiges fusionierendes („versteifendes“) Korrekturverfahren sinnvoll.

OP-Ziele: 3-dimensionale Korrektur der Wirbelsäule, Aufrichtung des Brustkorbes, Primärstabilität (d.h. wenn möglich keine Korsett-Versorgung notwendig nach OP).

OP-Techniken, von denen individuell die für den Patienten optimale Technik herauszuarbeiten ist:

  • Dorsale Instrumentationsspondylodese („Versteifung“ und Korrektur mit Zugang von hinten)
  • Ventrale Instrumentationsspondylodese („Versteifung“ und Korrektur von schräg-vorne)
  • Kombination beider Verfahren

In sehr schwergradigen Fällen kann eine Halo-Traktionsbehandlung im Vorfeld im Einzelfall sinnvoll sein.

Individuell ist häufig zu klären, ob eine Instrumentation bis zum Becken oder bis zur unteren Lendenwirbelsäule am sinnvollsten ist. Korrektur-Maneuver

Bei Kindern mit einem sog. Tethered Cord, d.h. das Rückenmark ist im Rückenmarkskanal angewachsen/fixiert, muß i.d.R. vor Korrektur der Deformität durch die Kollegen der Neurochirurgie eine operative Lösung des Rückenmarks durchgeführt werden. Dies kann am Anfang der Skoliose-OP in einer OP oder getrennt von der Skoliose-OP in einer getrennten OP erfolgen.

Einzelheiten zur OP-Technik finden Sie hier

Neuromuskuläre Skoliose (27-jährige Patientin mit Cerebralparese),
links vor und rechts nach operativer Korrektur

Neuromuskuläre Skoliose (27-jährige Patientin mit Cerebralparese), links vor und rechts nach operativer Korrektur