Was ist eine Bandscheiben-Degeneration?
Im Kindesalter besteht die Bandscheibe aus einem weicheren gallertigen Kern und einem stabileren, derben äußeren Ring. Im Laufe des Alterungsprozesses wird der Kern ebenfalls derber und die Grenze zwischen Kern und Ring verschmilzt.
Im weiteren Verlauf verändert die Bandscheibe ihre Farbe und ihre Konsistenz. Sie wird spröder und kleine Risse entstehen, v.a. im hinteren Anteil des äußeren Bandscheiben-Ringes. Die Bandscheibe trocknet zunehmend aus. Man kann diesen Prozess gut vergleichen mit dem Alterungsprozess eines Radiergummis, welches jahrelang in einer Schublade liegt. Auch ein solches Radiergummi wird mit den Jahren spröder und rissiger.
Ein weiterer Prozess im Rahmen des Alterns der Bandscheibe ist die Abnahme der Höhe der Bandscheibe, u.a. bedingt durch das Austrocknen der Bandscheibe. Diese Risse nehmen zu und die Höhe der Bandscheibe nimmt ab. Schlussendlich kann dieser Prozess darin enden, dass Teile der Bandscheibe komplett aufgebraucht sind und der obere Wirbel direkt auf dem unteren aufliegt. Der Verschleißprozess der Bandscheibe kann gut mit dem Verschleiß eines Autoreifens verglichen werden. Wenn der Reifen abgefahren ist, läuft irgendwann die Felge auf dem Asphalt. Ähnlich kann es beim Aufbrauchen der Bandscheibe zu direktem Kontakt von oberem und unterem Wirbel kommen.
Schlussendlich kann es dann dazu kommen, dass der Körper in einem solchen Bereich eine knöcherne Überbrückung und Durchbauung bewirkt, der Körper fusioniert, d.h. versteift sich somit in diesem Bereich selbst.
Der Verschleiß einer Bandscheibe führt im Verlauf dazu, dass auch der benachbarten Knochen, d.h. die benachbarten Wirbelkörper, gereizt werden und sich im Randbereich zur Bandscheibe hin verändern. Diese gemeinsamen Verschleißprozesse von Bandscheibe und benachbarten Wirbeln nennt man „Osteochondrose“.
Dieser Abnutzungsverlauf bis hin zum „Platten-Reifen-Effekt“ hat zunächst einmal nichts mit einem Bandscheibenvorfall (Prolaps) oder einer Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) zu tun. Wenn noch genug Bandscheibengewebe vorhanden ist, können Verschleißprozesse im hinteren Anteil des Bandscheibenringes inkl. Rissbildungen zu Ausbeulungen (Protrusionen) des Bandscheibenringes in Richtung Spinalkanal führen. So kann es zu Druckphänomenen auf das direkt hinter der Bandscheibe verlaufende sog. hintere Längsband kommen, was zu lokalem Rückenschmerz führen kann. Zudem kann es zu Kontakt von Bandscheibe und Nerv kommen, was zu Beinschmerzen führen kann.
Sind die Risse im äußeren Bandscheiben-Ring groß genug, kann es zum Austritt von Bandscheiben-Kernmaterial in diese Rissstellen hinein kommen, was man dann Bandscheibenvorfall nennt. Löst sich das austretende Bandscheiben-Kernmaterial von seiner „Mutterbandscheibe“, so spricht man von einem sequestrierten Bandscheibenvorfall.
Ein wichtiger Punkt in der Beratung von Patienten ist die Tatsache, dass Verschleißphänomene nicht umkehrbar sind.
Eine Besonderheit liegt in der mechanischen Nähe von Bandscheibe vorne und kleinen Wirbelgelenken hinten. Wenn die Höhe der Bandscheibe abnimmt, nähern sich die Gelenkpartner der kleinen Wirbelgelenke einander an, der Druck im Gelenk steigt und eine Arthrose entsteht. Dieser Zusammenhang ist der Grund dafür, dass es nur selten Patienten gibt mit isolierter Bandscheibendegeneration ohne begleitende Arthrose der Wirbelgelenke im gleichen Segment.
Diagnose:
Abnutzungsphänomene der Bandscheibe können ohne oder mit Symptomen verlaufen. Sie besitzen also grundsätzlich das Potenzial, Rückenschmerzen, leichtgradige bis schwerstgradige, zu verursachen. Nicht jede Degeneration führt aber zwangsläufig zu Beschwerden. Somit erhalten die Diagnostik inkl. radiologischer (Röntgen, MRT) aber auch v.a. inkl. der klinischen Untersuchung und die Anamnese, also die genaue Beschreibung, unter welchen Bedingungen Schmerzen auftreten oder eben nicht, eine große Wichtigkeit bei der Bewertung, ob im Einzelfall eine Degeneration für bestimme Schmerzen eher verantwortlich ist oder eher nicht.
Konservative Therapie
Eine nicht symptomatische Bandscheibendegeneration muss nicht behandelt werden. Eine symptomatische Bandscheibendegeneration ohne relevante frische Muskellähmungen soll zunächst konservativ behandelt werden. Dabei stehen Erklärung/Information, rumpfstabilisierende Maßnahmen, Physiotherapie, Eigenübungen, Bewegung, Sport und begleitend eine medikamentöse Behandlung sowie physikalische Maßnahmen (Massagen, Elektrotherapie, Wärme, Stoßwelle, Akupunktur, etc.) und ggf. kurzfristig ein Korsett im Vordergrund.
Häufig sind die Schmerzen verstärkt bei Bewegungen der Wirbelsäule. Der Patient fühlt sich instabil. Macht man sich klar, dass die Wirbelsäule mittig im Körper von großen Muskelmassen umgeben ist, die die Wirbelsäule stabilisieren sollen (Rücken-, Psoas-, Bauch- und Rumpfmuskeln), so wird schnell klar, dass eine schwache Muskulatur nicht förderlich für eine hohe Stabilität der Wirbelsäule ist. Es wird klar, dass eine gut trainierte Muskulatur deutlich zur Wirbelsäulen-Stabilität beitragen kann. Auch ältere Patienten können durch Training sehr große Fortschritte machen. Auch ein Korsett verfolgt das Prinzip der Stabilitätserhöhung.
Grundsätzlich gilt: Aktive Therapien sind immer besser als passive Therapien.
Am Anfang werden stets nicht-invasive Maßnahmen gewählt, erst bei ungenügendem Erfolg werden invasive Therapien (z.B. Infiltrationen, Denervierungen) ergänzt.
Die Bochumer Rückenschmerz-Pyramide zeigt das Konzept der Behandlung.
Operative Therapie
Führen konservative Maßnahmen nicht zu einer für den Patienten ausreichenden Besserung der Beschwerden, können operative Maßnahmen diskutiert werden. Der Goldstandard ist eine stabilisierende Fusion. Alternativ kann in Einzelfällen, v.a. an der Halswirbelsäule, auch eine Bandscheibenprothese sinnvoll sein. Letztere macht nur dann Sinn, wenn nur die Bandscheibe degeneriert ist ohne Beteiligung der kleinen Wirbelgelenke.
Prinzip der stabilisierenden Fusion (aus zwei oder mehr Wirbeln entsteht durch Implantate ein großer Wirbel).